Krisenindikatoren beim Mandanten

In der heutigen komplexen und dynamischen Wirtschaftswelt ist es für Steuerberater entscheidend, nicht nur steuerliche Angelegenheiten ihrer Mandanten zu betreuen, sondern auch frühzeitig mögliche wirtschaftliche Krisen zu erkennen. Steuerberater sind oft die ersten, die Zugang zu wichtigen finanziellen Informationen ihrer Mandanten haben und können daher eine Schlüsselrolle dabei spielen, drohende Krisen abzuwenden oder zumindest zu mildern. Der Gesetzgeber hat nicht zuletzt mit der Einführung des § 102 StaRUG explizit die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in die Pflicht genommen den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 der Insolvenzordnung und die damit verbundenen Pflichten hinzuweisen.

Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Indikatoren, die Steuerberater auf abzeichnende Krisen bei ihren Mandanten aufmerksam machen sollten.

Negatives Eigenkapital

Bei der Jahresabschlusserstellung ist ein wesentliches Indiz für eine mögliche Insolvenzantragspflicht (und damit das größtmögliche Krisenstadium) ein negatives Eigenkapital. Dabei ist anzumerken, dass bei der Jahresabschlusserstellung dieser eine vergangenheitsorientierte Betrachtung zum gewählten Stichtag darstellt. Die Pflicht zur Überprüfung der Überschuldung besteht für Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft jedoch auch unterjährig, sodass eine Insolvenzantragspflicht bereits vor dem Bilanzstichtag bestehen kann.

Verschlechterung der Liquidität

Einer der offensichtlichsten Indikatoren für eine mögliche Krise ist eine Verschlechterung der Liquiditätslage eines Unternehmens. Diese ist vor allem für die Unternehmen selbst das spürbarste Indiz, da der Druck durch Lieferanten und Kreditinstitute auf die Unternehmer zunimmt.

Eine Verschlechterung der Liquiditätssituation eines Unternehmens kann sich durch mehrere Faktoren bemerkbar machen:

  • Regelmäßiges Überschreiten der Zahlungsziele zu Lieferanten
  • Kontokorrentlinien sind regelmäßig vollständig ausgereizt
  • Hohe Überfälligkeiten der Debitorenforderungen
  • Totes Kapital in Vorräten
  • Überschreiten kritischer Werte für Liquiditätsgrade bei Kennzahlenanalyse
  • Überschreitung der Zahlungsvereinbarungen zum Steuerberater

Eine angespannte Liquiditätssituation deutet häufig auf Cashflow-Probleme hin, die zu einer existenziellen Bedrohung für das Unternehmen werden können.

Notleidende Unternehmen können kreativ in der Bewerkstelligung von Liquiditätsproblemen werden. Dies kann sich in einer verzögerten Zahlung von Steuervorauszahlungen, Sozialversicherungsbeiträgen oder anderen regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen zeigen. Werden erteilte SEPA-Mandate zugunsten der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts widerrufen oder erst gar nicht erteilt, kann das auf ein unzureichendes Liquiditätsmanagement bis hin zu einer tatsächlichen Krise hindeuten.

Eigenmittelverzehr

Erwirtschaftet das Unternehmen Verluste, müssen diese kompensiert werden. Sofern das Unternehmen in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren Gewinne erwirtschaften konnte und entsprechende Kapitalrückstellungen gebildet hat, können die Verluste meist dadurch kompensiert werden.

Sofern die Verluste jedoch regelmäßig auftreten, ist darauf zu achten, dass der damit verbundene Eigenmittelverzehr das Fortbestehen des Unternehmens nicht gefährdet. Reichen die bis dahin erzielten Gewinne nicht zur Kompensation der Verluste aus, ist das Unternehmen schnell in seiner Existenz bedroht. Bei wiederholten verlustreichen Geschäftsperioden empfiehlt sich rechtzeitig Maßnahmen zur Restrukturierung einzuleiten, um dem weiteren Eigenmittelverzehr entgegenzuwirken.

Ansteigende Verschuldung

Ein weiteres Warnsignal ist eine stark ansteigende Verschuldung, insbesondere wenn die neuen Schulden nicht zur Finanzierung von Wachstum, sondern zur Deckung laufender Kosten aufgenommen werden. Wenn Mandanten vermehrt Kredite aufnehmen oder ihre Kreditlinien ausschöpfen, um ihre täglichen Betriebsausgaben zu decken, sollte der Steuerberater hellhörig werden. Eine ansteigende Verschuldung kann ein Indikator dafür sein, dass das Unternehmen bereits Schwierigkeiten hat, seinen Geschäftsbetrieb aus eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten.

Rückläufige Umsätze

Rückläufige Umsätze, insbesondere über einen längeren Zeitraum, sind ein starkes Anzeichen dafür, dass ein Unternehmen in Schwierigkeiten geraten könnte.

Steuerberater sollten die Umsatzentwicklungen ihrer Mandanten regelmäßig analysieren und bei anhaltendem Rückgang nach den Ursachen forschen. Diese könnten in einem veränderten Marktumfeld, zunehmender Konkurrenz oder einer sinkenden Nachfrage nach den Produkten oder Dienstleistungen des Mandanten liegen. Ein Umsatzrückgang kann schnell zu Liquiditätsproblemen führen, wenn die Kostenstruktur nicht entsprechend angepasst wird.

Unregelmäßigkeiten in der Buchführung

Unregelmäßigkeiten in der Buchführung können ebenfalls auf eine Krise hindeuten.

Wenn der Steuerberater feststellt, dass der Mandant die Umsatzsteuervoranmeldungen verspätet erstellt, die Belege zur Erstellung der Monats- und Jahresabschlüsse verspätet oder erst nach mehrmaliger Aufforderung übersendet oder Rückfragen zu Sachverhalten durch den Steuerberater vom Mandanten unbeantwortet bleiben, kann dies ein kreativer Versuch durch den Mandanten sein, um zu verschleiern, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten steckt und damit bereits ein Krisenindikator sein.

Werthaltigkeit von Forderungen

Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens spielt die Werthaltigkeit von Forderungen eine entscheidende Rolle. Gerade bei Forderungen gegen Gesellschafter, verbundene Unternehmen oder nahestehende Personen ist die Werthaltigkeit vermehrt in Frage zu stellen. Ein reines Fortschreiben der Saldenstände unter Verzinsung allein ohne Rückführung und entsprechende Darlehensverträge kann zu einer unrichtigen Bilanz führen. Es empfiehlt sich daher immer spätestens bei der Jahresabschlusserstellung die Werthaltigkeit der vorgenannten Forderungen zu prüfen und zu dokumentieren, warum diese zum Bilanzstichtag noch als werthaltig zu betrachten sind.

Bei fortschreitender Krise kann spätestens bei eingetretener Insolvenzreife der falsche Umgang mit Forderungen gegen Gesellschafter für die Beteiligten zu immensen Problemen führen. Nicht nur, dass eine mögliche Insolvenzantragspflicht verspätet erkannt wird – auch die Kreditinstitute könnten mit Argumenten der Bilanzmanipulation aufgrund von Fortschreibung der Forderungen gegen Gesellschafter Schadenersatz geltend machen, wenn diese Forderungen bei fehlender Werthaltigkeit nicht wertberichtigt worden sind.

Hohe Personalfluktuation

Wenn ein Unternehmen plötzlich eine hohe Fluktuation im Management oder andere Schlüsselpositionen hat, könnte dies auf interne Probleme oder auf eine schlechte finanzielle Lage hindeuten. Steuerberater sollten solche Veränderungen im Auge behalten und bei Bedarf nach den Hintergründen fragen, um ein besseres Verständnis der Gesamtsituation zu bekommen.

Fazit

Aus der vorstehenden Darstellung ist erkennbar, dass es eine Reihe von Indikatoren gibt, die für eine Krise beim Mandanten sprechen können. Die Betonung liegt hierbei bewusst auf „können“, da es sicher auch eine Vielzahl an plausiblen Erklärungen für diese Umstände gibt, bei denen nicht direkt von einer existenzbedrohenden Krise gesprochen werden muss. Allerdings ist bei regelmäßigem Auftreten von Krisenindikatoren die Ursache zu identifizieren und zu beseitigen, um die Krise nicht voranschreiten zu lassen.

Um derartigen Krisen frühzeitig entgegenzuwirken, ist es entscheidend, dass Sie regelmäßig die Geschäftsmodelle Ihrer Mandanten analysieren und auf potenzielle Krisenindikatoren hin untersuchen. Eine offene Kommunikation und regelmäßige Besprechungen sind unerlässlich, um die Ursachen für diese Indikatoren zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen.

Nicht zuletzt möchten wir darauf hinweisen, dass die Implementierung eines auf die Bedürfnisse des Mandanten zugeschnittenen Krisenfrüherkennungssystems sinnvoll ist, um den Vorgaben des § 1 Abs. 1 StaRUG bestmöglich Rechnung zu tragen. Dieses System ist darauf ausgelegt, existenzbedrohende Krisensituationen frühzeitig zu erkennen, um eine Insolvenz zu vermeiden und alternative Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Ein Insolvenzverfahren sollte für Unternehmer stets das letzte Mittel sein. Um alternative Wege zur Sanierung und Restrukturierung eines Unternehmens zu nutzen, ist jedoch ein rechtzeitiges Eingreifen notwendig.

Aufgrund der jeweils individuell zu betrachtenden Gesamtsituation erhebt dieser Artikel nicht den Anspruch auf Vollständigkeit aller existierenden Krisenindikatoren.

Gerne bieten wir Ihnen unsere Unterstützung bei:

  • Einführung von Krisenfrüherkennungssystemen beim Mandanten
  • Erstellung von Fortbestehensprognosen bei bilanzieller Überschuldung
  • Erstellung und Umsetzung von Sanierungskonzepten bei sich abzeichnender oder bereits eingetretener Krise
  • Beantragung und Begleitung von Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung mit dem Ziel der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs
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